Thomaschristen

Thomaschristen
Thomas|christen,
 
Sammelbezeichnung für Christen verschiedener Konfessionen an der Malabarküste (Südwestindien, Staat Kerala), die sich traditionell auf eine (in den apokryphen Thomasakten berichtete) Mission des Apostels Thomas ab 52 n. Chr. zurückführen. Das Grab des Apostels wird in Madras verehrt, eine Missionsreise des Thomas ist jedoch historisch nicht belegbar. Die Christianisierung Indiens geht auf die nestorianische Mission im 5./6. Jahrhundert unter dem Katholikos-Patriarchen von Seleukeia-Ktesiphon zurück. 720 wurde eine eigene nestorianische Metropolie des »Sitzes des heiligen Thomas und der ganzen Christen in Indien« für die Malabarküste eingerichtet. Die um 1500 in das Land eindringenden Portugiesen versuchten, die christliche Bevölkerung zu einer Union mit der römisch-katholischen Kirche und einer Änderung der Kirchenstruktur (Unterstellung unter lateinische Bischöfe; Einführung lateinischer Bräuche) zu zwingen (Synode von Diamper 1599). 1661/63 eroberten Niederländer die Küste, die katholischen portugiesischen Missionare wurden vertrieben. Ab 1665 ging von dem syrisch-orthodoxen (jakobitischen) Bischof Gregorios (✝ 1672) aus Jerusalem eine Renaissance des syrischen Christentums aus, das kirchliche Monopol der Nestorianer wurde zerbrochen. Unter der folgenden britischen Herrschaft entstand aus einer Reformbewegung innerhalb der Syrisch-orthodoxen Kirche die anglikanische »Mar-Thomas-Kirche« (Name seit 1889; heute über 700 000 Mitglieder), die sich ebenfalls auf Thomas beruft; von ihr spaltete sich 1961 die »Evangelische Sankt-Thomas Kirche« ab (heute rd. 90 000 Mitglieder). Die unabhängig gebliebenen syrisch-orthodoxen Thomaschristen erhielten 1929 einen eigenen Katholikos und stehen seither als autonome »Syrisch-orthodoxe Kirche des Ostens« in kanonischer Gemeinschaft mit dem syrisch-orthodoxen Patriarchat von Antiochia. Daneben besteht weiter aus der portugiesischen Zeit die mit der römisch-katholischen Kirche unierte Kirche der (ostsyrischen) Syromalabaren, die (bis dahin lateinischen Bischöfen unterstehend) 1923 wieder eigene reguläre Bistümer erhielt und seit 1993 einem eigenen kirchlichen Oberhaupt mit dem Titel »Großerzbischof« untersteht. Da sich 1874/75 ein weiterer Teil der Unierten wieder von Rom trennte, konnte ab 1907 auch die nestorianische Tradition erneuert werden (»Mellusianer« oder »Neunestorianer«). Ein Teil der Westsyrer fand sich 1930 wieder zu einer Union mit der römisch-katholischen Kirche bereit (Syromalankaren), sodass die Thomaschristen heute konfessionell zersplittert sind. Ihre Gesamtheit wird auf mehrere Millionen Gläubige geschätzt, wovon die »Syrisch-orthodoxe Kirche des Ostens« mit rd. 1 Mio. Mitgliedern und die rd. 3,4 Mio. syromalabaresischen Katholiken die größten Gruppen bilden. (Ostkirchen)
 
 
P. J. Podipara: Die T. (a. d. Engl., 1966);
 E. R. Hambye u. J. Madey: 1 900 Jahre T. in Indien (Freiburg 1972);
 
Die syr. Kirchen in Indien, hg. v. P. Verghèse (a. d. Engl., 1974);
 G. Hohmann: Östl. Christentum in Indien, in: Der Christl. Osten, 49 Jg. (1994).
 

Universal-Lexikon. 2012.

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